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An Expertise by Hermann Voss

The Virtual Museum
of Art Expertise –
An Expertise by Hermann Voss


Hermann Voss (1884-1969)
(picture: berlinerliteraturkritik.de)


(Source: Nathalie Volle / Pierre Rosenberg, Jean Barbault (1718-1762), [Catalogue] Beauvais/Angers/Valence 1974/1975, No. 31 [see also p. 51])

An Expertise by Hermann Voss

Not necessarily a historian of female fashion Hermann Voss was undoubtedly a connoisseur of extraordinary qualities. Notorious for his association with the dark powers of history, his biography shows how ambiguous the historical field of connoisseurship is/can be (see the richly documented 2010 monograph on him by Kathrin Iselt).
We show him from less known sides, and this includes a quote from his 1933 methodological classic Quellenforschung und Stilkritik, which is a kind of methodological laboratory, meandering – in some sense his trademark – between stylistic analysis and historical document research. Yet our quote does hightlight the topic of a psychology of error.
Which also is meant to show that connoisseurial texts, expertises, and expertises that (as in our main example here) turn into academic publications, are also interesting for their narrative structures, including their digressions.
Our example leads us to get to know better a rather little known French painter (also a trademark: Voss’ caring for the less-known artists, his criticizing of collectors, willing to care for the big names, the blue chips only, i.e. for the ›collecting of expertises‹, as Voss called it, see Iselt, p. 68), and here we see a real meandering: the taking of a walk, starting at a Berlin exhibition, a walk from Goya to Jean Barbault, a walk inside a musée imaginaire, but displayed in a – if we may say – light-footed – way: an expertise, but also a speaking of female fashion in pictures, and of its creators. A light-footed displaying of expertise (the Bolognese lady, formerly Spanish, however, is today called a Vénetienne).

A Berlin exhibition

»Auf der im Sommer 1925 vom Kaiser Friedrich Museums Verein veranstalteten Ausstellung von Gemälden aus Berliner Privatbesitz fand ein dem Goya zugeschriebenes kleines Kostümbild allgemeine Beachtung. Obwohl mit dem Namen des Meisters signiert, schien es doch stilistisch auf einer so anderen Linie zu stehen, dass in hypothetischer Form anderen Namen in Vorschlag gebracht wurden, insbesondere der des Pietro Longhi. Vieles schien in der Tat für eine Entstehung des amüsanten und koketten Bildchens in Venedig, oder doch wenigstens in Italien, zu sprechen, nur dass der Name Longhi seinem besonderen miniaturhaft ziselierenden, mehr linearen als malerischen Charakter wiederum nicht allzu nahe kam.«


(Picture: artactu.com)

The browsing of a catalogue

»An die künstlerische Individualität der ›Maja mit den roten Schuhen‹ (wie der offizielle Titel im Ausstellungskatalog hiess) wurde ich lebhaft erinnert, als ich beim Durchblättern der illustrierten Veröffentlichung der Sammlung Lord Leconfield auf das Kostümbild einer Cisterziensernonne traf, dessen Signatur »Barbault, Roma 1750« auf eine neue Fährte wies. […]«

Voss’ hypothesis: Jean Barbault ([according to current opinion] 1718-1762); his costume pictures in print

»Nähere Beschäftigung mit dem fraglichen Meister, Jean Barbault (c. 1705-1766), führte dann zu einem überraschenden Ergebnis. Barbault war geradezu ein Spezialist des weiblichen Trachtenbildes; u. a. sind 12 derartige Naturstudien nach ihm von Léon Gaucherel gestochen […]. Eine andere derartige Serie hat er in Gemeinschaft mit J.-B. Greuze für den Stich geschaffen, und in dieser befindet sich, nur verändert durch einen hinzugefügten architektonischen Hintergrund, die willkürlich so genannte »Maja«, allerdings mit dem prosaischer klingenden Titel »Bourgeoise de Bologne« […]. […] Abgesehen von der frei hinzuphantasierten Architektur hat der Stecher sich auch sonst kleine Veränderungen erlaubt. Diese haben aber ihren guten Grund darin, dass es in der graphischen Technik nicht möglich war, den eigensten malerischen Reiz des Bildes, der in der Gegenüberstellung zusammenhängender dunkler und heller Partien besteht, nachzubilden. So ist die fast ungegliederte, nur durch den pikanten Kontur wirkende schwarze Masse des Kostüms in einen ziemlich willkürlichen, unruhigen Faltenwurf aufgelöst, für den das Bild nur gewisse Hinweise bot. Der gleiche Wunsch nach graphischer Deutlichkeit hat auch den Hauptcharme des Köpfchens beseitigt, jene zarte Beschattung der Stirn- und Augenpartie, die neben der Verhüllung der einen Gesichtshälfte den Ausdruck der Koketterie so wirksam unterstützt.«

[…] [on the ›Cisterziensernonne‹ (No. 27 in Volle/Rosenberg)]

Dismissing the Goya attribution and on dating

»Wie unmöglich es ist, die sogen. Maja dem Goya zu lassen (an dessen Autorschaft m. W. allerdings ernsthafte Kenner nie recht geglaubt haben), bedarf keiner näheren Ausführung mehr. Wie die Schulzugehörigkeit, so erscheint auch die Datierung in einem neuen Lichte, denn da Barbault bereits 1766 gestorben ist, so ist das Bildchen, das der datierten Cisterzienserschwester bei Lord Leconfield so ausserordentlich nahesteht, offenbar nicht viel später als 1750 entstanden zu denken. Für eine so frühe Zeit scheidet Goya, dessen Kriterien Geburtsdatum 1746 ist, ohnehin völlig aus; einer rein nach stilgeschichtlichen Kriterien urteilenden Betrachtung scheint hingegen die neue Datierung ausserordentlich einleuchtend und bestätigt auch von dieser Seite her den einwandfrei festgestellten Tatbestand.«

On the Psychology of Error

»Man müsste in gewisse menschliche Schwächen mit dem Scharfsinn und der Erfahrung eines Freud hineinleuchten, wollte man es unternehmen, eine Psychologie der falschen Zuschreibungen an die ›grossen Meister‹ zu schreiben. Sicherlich wäre es eine interessante Aufgabe, die Triebfeder bei Begehung des einzelnen Irrtums in der Persönlichkeit des Irrenden selber aufzudecken, vom grob materiellen Interesse beginnend bis zu gewissen nicht leicht zu durchblickenden Regungen eines menschlich-wissenschaftlichen Ehrgeizes, der seine Befriedigung nicht in vorurteilsloser Erforschung eines allzu ›unscheinbaren‹ historischen Tatsachenkomplexes findet, sondern einzig in dem der Eigenliebe ungleich schmeichelnderen Umgang mit den offiziellen Berühmtheiten oder den Tageslieblingen der Kunstgeschichte.
Diesen sich unwillkürlich stellenden psychologischen Problemen nachzugehen ist allerdings nicht unsere Aufgabe. […]«

(Source: Hermann Voss, Quellenforschung und Stilkritik. Eine praktische Methodik mit Beispielen aus der spätitalienischen Malerei, in: Zeitschrift für Kunstgeschichte 2 (1933), p. 177)

(Source: Hermann Voss, Ein angeblicher Goya und sein wirklicher Meister, in: Repertorium für Kunstwissenschaft 48 (1927), pp. 104-108)

The Book of Expertises


Another version, not catalogued in Volle/Rosenberg
(Picture: arcadja.com)

(Picture: sothebys.com)

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